Häufige Fragen zur Schia – Antworten mit Quellen
Immer wieder entstehen Missverständnisse über die Lehre der Ahl-ul-Bait (a.s.). Hier findest du fundierte Antworten auf häufige Fragen – basierend auf Quellen aus beiden islamischen Rechtsschulen:
Warum gilt ʿAlī ibn Abī Ṭālib (a.s.) als rechtmäßiger Nachfolger des Propheten?
Weil der Prophet Muhammad (s.a.a.s.) ihn in Ghadīr Khumm mit den Worten ernannte:
„Wessen Mawlā ich bin, dessen Mawlā ist auch ʿAlī.“
(Quellen: Aḥmad ibn Ḥanbal, Musnad; Tirmidhī, Sunan; Ṭabarī, Tārīkh; Schia: al-Kāfī).
Der Begriff Mawlā bedeutet hier Führer, Beschützer, nicht bloß Freund. Viele sunnitische Gelehrte bestätigten die Authentizität dieses Hadiths, u.a. al-Ḥākim an-Naysābūrī und Ibn Ḥajar al-ʿAsqalānī.
Verwerfen Schiiten die Gefährten (Ṣaḥāba)?
Nein. Die Schia unterscheidet zwischen treuen und abtrünnigen Gefährten. Viele werden verehrt – wie Salmān al-Fārisī, Abū Dharr al-Ghifārī, Miqdād und ʿAmmār ibn Yāsir.
Der Qur’an selbst sagt:
„Und unter den Beduinen um euch gibt es Heuchler…“ (Qur’an 9:101)
Die Kritik gilt nicht der gesamten Generation, sondern konkretem politischen Handeln nach dem Tod des Propheten.
(Sunnitische Quelle: Ibn Abī al-Ḥadīd, Sharḥ Nahj al-Balāgha; Schia: al-Irshād von Shaykh al-Mufīd)
Ist der Qur’an bei den Schiiten anders?
Nein. Schiiten glauben an denselben Qur’an, wie er im Muṣḥaf von ʿUthmān gesammelt wurde.
Tatsächlich sagte der sechste Imam Jaʿfar aṣ-Ṣādiq (a.s.): „Was in euren Muṣḥaf steht, ist auch in unserem.“
(Sunnitische Quelle: al-Suyūṭī, al-Itqān fī ʿUlūm al-Qurʾān; Schia: Tafsīr al-ʿAyyāshī)
Warum trauern Schiiten öffentlich an ʿĀshūrāʾ?
Imam al-Ḥusain (a.s.) wurde in Karbalāʾ brutal ermordet – zusammen mit seiner Familie. Diese Tat wird von allen Schulen als Katastrophe gesehen.
Die öffentliche Trauer ist kein Ritual der Anklage, sondern Ausdruck von Gerechtigkeit, Loyalität und moralischem Erwachen.
(Quellen: Sunniten – al-Ṭabarī, Tārīkh; Schiiten – Maqtal al-Ḥusain von Abū Mikhnaf)
Was bedeutet der Gebetsstein (Turba)?
Die Schia betet wie der Prophet auf reiner Erde (vgl. Ṣaḥīḥ al-Bukhārī, Hadith über das Gebet auf Staub).
Die Turba ist lediglich Erde – oft aus Karbalāʾ – und symbolisiert Demut. Sie wird nicht angebetet, sondern als Unterlage für die Niederwerfung genutzt.
(Sunnitische Quelle: Ṣaḥīḥ al-Bukhārī; Schia: Wasāʾil aš-Šīʿa)
Warum kombinieren Schiiten Gebete?
Weil der Prophet selbst ohne Reisegrund die Gebete zusammenlegte (Ṣaḥīḥ Muslim, 705). Die Schia erlaubt daher ebenfalls die Kombination von Ẓuhr & ʿAṣr sowie Maghrib & ʿIshāʾ – aus Barmherzigkeit und Vereinfachung.
(Sunniten: Ṣaḥīḥ Muslim; Schia: al-Kāfī, Kapitel über Gebete)
Ist die Grabverehrung bei Schiiten Schirk?
Nein. Das Besuchen heiliger Gräber ist erlaubt, solange nur Allah angebetet wird. Auch Sunniten besuchen das Grab des Propheten in Medina.
Die Ziyāra (Besuch) ist Ausdruck von Liebe, nicht Anbetung.
(Qur’an 9:84, 18:21; Sunniten: an-Nawawī, al-Adhkār; Schia: Kāmil az-Ziyārāt)
Was sind Marājiʿ und Taqlīd?
Ein Marjaʿ ist ein hochqualifizierter Rechtsgelehrter, der aus Qur’an, Hadith und Logik Fatwas ableitet.
Sunnitische Schulen kennen das Prinzip ebenfalls – z. B. in Form von Muftis oder Madhāhib (Schulen).
(Sunniten: al-Ghazālī, al-Mustaṣfā; Schia: ʿUrwat al-Wuthqā)
Warum wird die Kalifatsfolge nach dem Propheten abgelehnt?
Weil das Imamat nach schiitischem Verständnis eine göttliche Bestimmung ist, nicht politisch wählbar. Der Prophet ernannte ʿAlī (a.s.) mehrfach, öffentlich und mit klarem Wortlaut – etwa in Ghadīr und Yawm ad-Dār.
(Sunniten: Ṭabarī, Tirmidhī; Schia: Biḥār al-Anwār)
Ist die Schia eine spätere Abspaltung?
Nein. Die Bezeichnung Šīʿat ʿAlī („Anhänger ʿAlīs“) ist bereits aus der Zeit des Propheten überliefert (vgl. al-Ḥākim, al-Mustadrak). Die Schia entstand nicht politisch, sondern theologisch – durch die enge Bindung an die Familie des Propheten.
(Sunniten: Ibn Ḥajar, Ṣawāʿiq al-Muḥriqa; Schia: Kitāb al-Iḥtijāj)
Hinweis: Alle genannten Quellen sind in klassischer Literatur der Sunniten und Schiiten zugänglich. Ziel ist nicht Spaltung, sondern Wissen, Verständnis und Rückkehr zur Einheit über das Licht der Ahl-ul-Bait (a.s.).